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Kinder und Atelier
Diskurse zur ästhetischen Praxis in der Elementarpädagogik

Anmerkungen

[1]    Ergänzend sei angemerkt, dass an dieser Stelle jene Einteilungen wie sie als Explorations- bis Regelspiel aus der Frühpädagogik bekannt sind, ebenso unangetastet bleiben, wie Altersangaben, ab wann welche Spielformen beim Kind zu erwarten sind. Die Gedanken bewegen sich vielmehr um eine Aktivität, die, sozusagen als "Grundmoment des Wahrnehmungsbewusstseins" (CASSIRER 1990), den Ausgangspunkt und Anspruch von Bildung darstellen.

Ausleben (?)
Es erscheint uns wichtig wie notwendig den humanisierenden und bildenden Charakter von Spielen hervorzuheben, da sich in Anbetracht der mannigfaltigen Interpretationen aus dem Freizeitverhalten die Konturen insofern verwischen, weil Spielen zunehmend mit dem Akt des Auslebens in Zusammenhang gebracht wird.

Dabei müsste in diesem Kontext gefragt werden, ob nicht Ausleben als bloßer Entleerungsgestus im Widerspruch zum Erleben steht, ob Erleben nicht auch Sublimieren bedeutet und für die Gründung einer Sinndimension verantwortlich ist, welche etwas mit Erfahren von sich selbst und dem Anderen zu tun hat. Ob sich Acting-out als bloßes Abreagieren verdrängter Impulse für die Bildung symboligener Prozesse überhaupt eignet oder die Voraussetzung dafür mitbringt, den Raum zwischen mir und dem Anderen zu eröffnen...

Spielen (?) Verspieltheit (?)
Eine weitere Unschärfe stellt sich ein, wenn Spielen im gleichen Atemzug mit Verspieltheit genannt wird und Ersteres dadurch diffamiert. Ihre Gemeinsamkeit ist zwar unschwer in der Lust an der Tätigkeit zu erkennen, ihre Unterschiede zeigen sich aber darin, dass es sich bei dem einen um einen strukturbildenden Akt, bei dem anderen um eine Eigenschaft handelt, welcher eine gewisse Selbstverliebtheit unterstellt werden kann. Sie führt beispielsweise auch im Fußballspiel zu Pfiffen aus dem Publikum, wenn Spieler, dem Effekt zuliebe, so manche Pirouette zuviel mit dem Ball vollziehen. In genanntem Kontext steht Verspieltheit als leere Pose, als Attitüde – andernorts schon als"kalkulierte Stimulierung der Wirkung" (ECO 2007) bezeichnet – und bildet eine Nähe zum Kitsch.

Bei herumbalgenden Kindern hingegen, deren Bilder sofort unseren Denkraum einnehmen, wenn von Verspieltheit die Rede ist, handelt es sich um ein Spielen, welches dem "libidinösen Aufbau des Körpers" (RODULFO 2004) zuzuordnen ist ...

CASSIRER, Ernst: Philosophie der symbolischen Formen. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1990, Bd. I-III.

ECO, Umberto: Die Geschichte der Hässlichkeit. München: Hanser, 2007: 400.

RODULFO, Ricardo: Die lange Geburt des Subjekts / Eine psychoanalytische Theorie der menschlichen Entwicklung. Gießen: Psychosozial-Verlag, 2004.

[2]    Anzeige der Stadt Wien, in: Österreich: FELLNER, Wolfgang (Hg.)
Wien: Österreich-Zeitungsverlag GmbH, Ausgabe vom 22. 02. 2010: 24.

[3]    WINNICOTT, Donald, W.: Vom Spiel zur Kreativität – Theorie des Spiels.
Stuttgart: Klett-Cotta, 2002: 59.

[4]    MOGEL, Hans: Psychologie des Kinderspiels.
Berlin; Heidelberg; New York: Springer, 1991: 12.

[5]    BÜRGER, Peter: Das Verschwinden des Subjekts / Eine Geschichte der Subjektivität von Montaigne
bis Barthes. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1998: 233.

[6]    KONRAD, Helmut: Der moderne Mensch in der Krise seines Bewusstseins und die Möglichkeit
einer Wiedergewinnung eines elementaren Denkens in Kunst und Bildung, in:
BRINEK, Gertrude; SCHIRLBAUER, Alfred (Hg.): Pädagogik im Pluralismus.
Wien: WUV-Univ.-Verlag, 1993: 69.

[7]    "Formulierungen wie ´Wissen anreichern´, ´Informationen abspeichern und abrufen´ täuschen vor, das menschliche Gehirn könnte so wie ein Computer mit Informationen gefüttert werden. Doch weder nimmt das Gehirn Informationen ungefiltert auf, noch werden sie auf der Hirnrinde, dem Kortex, eins zu eins wie auf einer Festplatte abgelegt. Sämtliche Informationen, die das Gehirn erreichen, werden zunächst einer Art Verträglichkeitsprüfung unterzogen und emotional bewertet. Dafür ist das limbo-corticale System zuständig, das die für die Informationsverarbeitung und Gedächtnisbildung notwendige Aufmerksamkeit herstellt. Erst wenn sie geweckt und ausgerichtet ist, können Informationen weitergeleitet und verarbeitet werden. Stellt sich diese physiologische Aufmerksamkeit nicht ein, bleibt der Lernerfolg aus“.
TEUCHERT-NOODT, Gertraud: Informationen aus der Neurobiologie. Teil I: Neurodidaktik - eine neue Didaktik? In: Biologie in der Schule 1/2000: 49-51.

[8]    MEYER-DRAWE, Käte: Die Welt betrachtet die Welt. Phänomenologische Notizen zum Verständnis
von Kinderbildern, in: HERLITZ, HANS-GEORG / RITTELMEYER, CHRISTIAN: Exakte Phantasie/Pädagogische Erkundungen bildender Wirkungen in Kunst und Kultur. Weinheim; München: Juventa, 1993.

[9]    RODULFO, Ricardo: Die lange Geburt des Subjekts / Eine psychoanalytische Theorie der menschlichen Entwicklung. Gießen: Psychosozial-Verlag, 2004.